INTERVIEW

 

Regisseur Farhad Yawari über Träume, Hoffnung und den Nachteil des Perfektionismus

 

Hauptthemen in ihrem Film DOLPHINS sind Freiheit und die Verwirklichung von Träumen. Neben dem zentralen Bild des Wassers spielen Delphine dort eine wichtige Rolle. Schwimmen Sie selbst auch gerne?

 

Gar nicht. Ich selbst kann leider nur schlecht schwimmen. Deswegen war ich bei den Unterwasseraufnahmen auch nicht direkt dabei. Ich habe die Dreharbeiten per Monitor auf unserem Schiff überwacht.

 

War es denn sehr schwierig, mit frei lebenden Delphinen zu arbeiten?

 

Es war schrecklich! Am ersten Drehtag auf den Bahamas tauchten die Delphine auf. Seit Jahren hatte ich auf diesen Moment gewartet. Sie schauten uns kurz an – und schwammen dann einfach wieder weg. Und ich stand da mit dem Team, Pressereportern und Fotografen. Ich hätte mich am liebsten erschossen! Am nächsten Tag blieben die Delphine dann zehn Minuten und am übernächsten Tag noch länger. Sie hatten sich zum Glück an Julia Brendler gewöhnt und sich mit ihr angefreundet.

 

Für Julia Brendler scheinen das ja anstrengende Dreharbeiten gewesen zu sein.

 

Allerdings. Am siebten Tag auf den Bahamas ist sie zusammengebrochen. Sie hatte sich beim Tauchen völlig verausgabt und kam nicht mehr auf die Beine. Ein paar Monate früher hat sie sich bei den Dreharbeiten in Haar den Fuß gebrochen, als sie für die Befreiungsszene aus dem Fenster der psychiatrischen Anstalt springen musste. Sie hat sich von Anfang an voll in den Film eingebracht. Und sie hat diese einmalige Art von Kameramagie. Als wir unsere erste Szene mit Julia drehten, wäre unser Kameramann Torsten Breuer beinahe vom Stuhl gefallen, so beeindruckt war er. Ich habe dann selbst auch durch die Kamera geguckt – und tatsächlich: Sie sah aus wie eine Prinzessin.

 

Ist Perfektionismus für Sie sehr wichtig?

 

Ja, leider. Zuviel Perfektionismus kann auch von Nachteil sein. Lange nachdem der Film fertig gedreht und geschnitten war, lag er immer noch bei mir zu Hause. Ich war mir einfach nicht sicher, ob er gut war, ob er das war, wovon ich geträumt hatte. Meine Freunde mussten mich buchstäblich dazu zwingen, ihn endlich rauszubringen.

 

Die meisten Nachwuchsfilmer träumen von einer Ausbildung auf einer Filmhochschule. Sie hatten einen Platz an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (HFF) und sind nach drei Monaten wieder gegangen. Warum?

 

Als ich dorthin kam, hatte ich riesige Träume. Ich wollte Dinge ausprobieren, experimentieren, einfach machen. Ich freute mich darauf, mit anderen zu arbeiten wie in einer großen Familie. Aber die Leute waren verschlossen und einzelgängerisch. Und keiner wollte etwas wagen. Ich will die HFF jetzt nicht generell verteufeln, für manche mag so ein behütetes Häuschen von Vorteil sein. Aber für mich war es einfach nicht das Richtige. Wenn ein Professor sagte, Joghurt sei schwarz, sagten es die Studenten auch. Wenn der Professor nicht da war, sagten sie, Joghurt sei weiß. Ich wollte aber nicht, dass Joghurt so oft die Farbe wechselt.

 

Und Ihre erste Kameraübung sollte der Film DOLPHINS sein, der für eine solche Übungsaufgabe viel zu aufwendig und teuer war.

 

Um den Etat der HFF ging es mir gar nicht. Ich wollte einfach diesen Film drehen, auch ohne finanzielle Unterstützung der Schule. Aber alle sagten: "Unmöglich, Du bist wahnsinnig. Mach was Kleineres!" Keiner hat es mir zugetraut. Außerdem galten damals Tarantino-Filme mit Gangstern und Pistolen als das Coolste, was es gab.

 

Ist DOLPHINS ein Film über die Liebe oder über die Freiheit?

 

Über beides. Liebe ist Freiheit, vor allem die Freiheit des anderen. Am Ende des Films taucht Lara alleine, ohne Jakob. Die Liebe in DOLPHINS ist unkonventionell, eine andere Art von Liebe als in Meg Ryan-Filmen. Lara und Jakob wechseln kein einziges Wort, ihre Emotionen drücken sich nur in den Bildern aus, in ihren Gesten und Blicken, die größer sind als Worte. Und natürlich in den Farben und in der Musik.

 

Glauben Sie, dass sich Ihr bewegter Lebenslauf auf Ihre Arbeit ausgewirkt hat?

 

Sicher. Ich komme aus Persien, dem Land von "1001 Nacht", ich bin mit romantischen Märchen aufgewachsen. Danach habe ich in der Türkei, Österreich und Deutschland gelebt, in grundverschiedenen Kulturen, die mich alle geprägt haben. Außerdem musste ich früh lernen, dass man Dinge verlieren kann und bin deswegen wohl risikobereiter geworden.

 

Haben Sie deswegen auch die zahlreichen Hollywood-Angebote abgelehnt, die Ihnen nach den Festivalerfolgen von DOLPHINS in Amerika gemacht wurden? Sie hätten Filme für große Studios wie Warner oder Miramax drehen können, mit Stars wie Winona Ryder und Richard Gere.

 

Diese Angebote habe ich abgelehnt, weil keines der Drehbücher mein Herz berührt hat. Ich will ein Projekt, an das ich glaube und das ich liebe. Bei DOLPHINS hatte ich schlaflose Nächte. Ich hatte mir geschworen, diesen Film zu machen und dafür Tag und Nacht zu schuften. Ich wollte einen Traum verwirklichen. Diesem Weg will ich treu bleiben.

 

Gibt es auch Grenzen bei der Verwirklichung seiner Träume?

 

Die Grenzen liegen dort, wo man die Träume anderer oder auch sich selbst zerstört. Wenn man sich mitten in seinem Traum befindet, besitzt man leider oft nicht die Weisheit, das zu erkennen. Ich zum Beispiel habe einen Teil meiner Jugend für diesen Film gegeben, habe geschuftet, während andere sich auf Partys amüsierten. Ich habe kaum geschlafen und 16 Kilo abgenommen!

 

Welche Tipps geben Sie Träumern?

 

Wenn man etwas wirklich will, erreicht man es auch. Egal, ob einem jeder sagt, es sei unmöglich. Was für andere unmöglich ist, kann für einen selbst durchaus möglich sein. Die kennen einen nicht, wissen nichts über seine Stärken und Schwächen.

 

Was machen Sie, wenn in ein paar Jahren ein Filmstudent an Ihrer Tür steht und seinen Traum verwirklichen will?

 

Ich würde die Tür aufmachen. Und hoffentlich hätte ich so viel Erfolg, dass ich ihm einen Scheck ausstellen könnte.